Der GR 221 – Von Port de Sóller (Refugi Muleta) zum Refugi Tossals Verds

Der GR 221 – Von Port de Sóller (Refugi Muleta) zum Refugi Tossals Verds

Diese Nacht hat es geregnet und heute Morgen ist es deutlich kühler. Wenn ich so Richtung Gebirge schaue, bin ich froh über meine Entscheidung, nicht dort hoch zu laufen, sondern ein Taxi zu nehmen. Es ist wolkenverhangen mit richtig dunklen Wolken.

Heute starte ich meine Wanderung um neun. Würde ich die gesamte Etappe zu Fuß gehen, wäre ich schon vor 3 Stunden aufgebrochen, damit ich rechtzeitig am Refugi Tossals Verds ankomme.

Der Hafen von Sóller ist ganz verwaist. Ich folge der Beschilderung raus aus dem Örtchen und in Richtung Sóller. Plötzlich bellt mich ein Hund von der Seite an und ich erschrecke mich fast zu Tode. Sein Bellen hallt in den Bergen wieder, was ziemlich irre klingt. Irgendwie genieße ich gerade das kühle Wetter und den Weg nach Sóller, auf dem ich eine beachtliche Geschwindigkeit erreiche. Nach anderthalb Stunden bin ich dort, obwohl im Reiseführer steht, dass der Weg dorthin etwa 2 Stunden dauert.

In Sóller ist einiges los. Es stehen massenhaft Autos auf der Straße, die zum Verkauf stehen. Außerdem scheint dort ein Straßenfest sein. Und trotz der frühen Stunde sind schon einige Leute unterwegs. Schade, dass heute Sonntag ist, denn ich komme an der Markthalle vorbei und ich hätte mich gerne dort umgesehen. Ich steuere den Supermarkt an, der am heutigen Sonntag geöffnet hat, um mir dort etwas zum Abendessen zu holen, falls es ähnlich spärlich wie gestern ausfällt.  In der Stadt habe einige kleine Geschäfte geöffnet. Ich vermute wegen des Festes. Ich will aber zu diesem größeren Supermarkt, weil meine Chance dort Hummus zu bekommen deutlich größer ist. Als ich dort ankomme, hat der Supermarkt nicht geöffnet, wie es bei Google Maps eingetragen ist. Also gehe ich zurück und trinke mir erstmal in Ruhe einen Kaffee und suche nach einem Taxistand.

Der Taxistand ist nur 2 Minuten Fußweg entfernt und hat schon alle Preise angeschlagen. Die Fahrt nach Cúber wird mich 35 € kosten. Am Taxistand ist aber auch noch das Fest, also frage ich einen Polizisten, wo denn die Taxen stehen. Er erklärt es mir zwar, aber ich kann es nicht finden. Nachdem ich 15 Minuten umhergeirrt bin, gehe ich in ein 5-Sterne-Hotel und bitte an der Rezeption, dass man mir ein Taxi ruft. ‚Das ginge nur, wenn ich dort ein Zimmer hätte‘, erklärt mir die Damen an der Rezeption. Außerdem kommen die Taxis wegen des Festes nicht zum Hotel. Aber die Dame ist sehr nett und zeichnet mir auf einer Karte den Taxistand ein, und so finde ich ihn.

Während der Taxifahrt wird mir richtig schlecht. Ich atme tief ein und aus, um meinen Magen zu beruhigen. Der Taxifahrer rast die Serpentinen hinauf und überholte so waghalsig alles, was ihm im Weg ist, dass ich froh bin, als die Fahrt vorbei ist. An dem Aussichtspunkt am Stausee Cúber sind einige Reisebusse, die dort Wandergruppen abladen. Ich bin also nicht die einzige, die sich den Weg nach oben spart. Und nun geht es weiter in Richtung Refugi Tossals Verds.

Hier oben ist es ganz schön kalt. Ein Schild sagt mir, dass es zum Refugi noch 1 Stunde und 50 Minuten sind. In schmalen Serpentinen führt mich der schmale, steinige Pfad in Windeseile nach oben. Stellenweise kann ich meinen Atem sehen, so feucht und kühl ist die Luft. Ich mache einen kurzen Moment Pause, um mir meinen Pullover anzuziehen und auch noch mein Schal anzulegen. Er riecht noch ganz frisch, weil ich ihn im unteren Deckelfach aufbewahrt habe. Wie herrlich frisch gewaschene Wäsche riecht! Ich freue mich schon wieder auf meine frisch gewaschene Wäsche zu Hause.

Plötzlich höre ich Wasser rauschen. Das ist der erste Bach, den ich sehe. Überall stehen Rosmarinsträucher am Wegesrand. Ich nehme mir einen Zweig mit, für das Abendessen. Ohne zu wissen, was es heute für mich gibt. Der Angestellte im Refugi Muleta von gestern hat telefonisch Bescheid gegeben, dass es dort für mich ein veganes Abendessen geben soll. Ich bin gespannt.

Der Weg ist stellenweise sehr weich und matschig. Glücklicherweise ist er nicht immer ganz so steil, denn mit den matschigen Schuhen hat man kaum Halt auf den Steinen. Dann wird der Weg zu einem Bach. Mir macht das aber recht wenig aus, denn ich habe wasserfeste Schuhe. Ich muss mich stark konzentrieren, um auf dem Weg nach unten auf den Steinen nicht abzurutschen oder zu stolpern. Ich komme an einem Geröllfeld vorbei, dass ich durchquere und dann wechseln sich weiterhin Serpentinen bergab und bergauf, die mich um den Berg herum führen.

Ich kann mich gar nicht satt sehen an dieser wunderschönen Umgebung. Ich gehe wieder ein Stück weiter um den Berg herum und kann mir gar nicht vorstellen, dass hier in der Nähe ein Refugi sein soll. Plötzlich weist ein Wegweiser geradeaus auf eine Steilwand. Ich halte es im ersten Moment für einen Scherz, bis ich die Ketten dort oben im Fels sehe. Es wird also wieder geklettert. Dieses Mal aber mit Unterstützung der Ketten. Als ich diesen Abschnitt hinter mir habe, eröffnet sich mir wieder ein weiterer traumhafter Blick auf die Berge. Aber das Refugi sehe ich noch immer nicht.

Dann kommt die Sonne raus. Ich halte kurz an, um den Pulli wieder auszuziehen und den Schal zu verstauen. Als ich über den Berg bin, sehe ich gegenüber auf dem Berg ein kleines Häuschen. Das muss die Unterkunft sein. Während ich dem Weg weiter bergab folge, ist die Hütte plötzlich wie vom Erdboden verschluckt. Ich sehe sie nicht mehr. Ich zweifle an meinem Verstand und überlege, ob es wohl eine Fata Morgana gewesen ist. Nach zwei weiteren Abstiegen und einem Aufstieg mittendrin, bin ich dann aber doch ganz plötzlich am Ziel. Der Weg hat allerdings gut 2 1/2 Stunden gedauert.

Diese Etappe heute, gefiel mir mit Abstand am besten. Sie war super abwechslungsreich und spannend. Und die Aussichten waren einfach fantastisch. Ich bin sehr glücklich mit meiner Entscheidung, dass ich einen Teil des Weges mit dem Taxi gefahren bin, denn auch so war die Etappe mit 763 Höhenmetern aufwärts, 1084 Höhenmetern abwärts und 13,2 km ausreichend anstrengend. Meine Füße tun heute auf jeden Fall ganz schön weh. Sie sind die steinigen Pfade einfach nicht gewohnt.

Ich gehe schnell lauwarm duschen (heiß gibt es leider nicht) und wasche meine Wäsche draußen am Brunnen, der eiskaltes Wasser speit. Bei einer Außentemperatur von 13° C ist mir gerade ganz schön kalt. Und der Wind ist immer noch eisig. Es kommt aber mehr und mehr die Sonne heraus, die mich und meine drei Schichten, die ich mittlerweile anhabe aufwärmen. Ich gönne mir erstmal eine ordentliche Brotzeit und vernichte fast alle Essensreste, die ich noch dabei habe. Mir bleiben nur die Avocado und die Tomate für morgen früh. Und ein paar Kekse habe ich noch. Vreni hat gestern an ihrem Hostel im Supermarkt die leckeren Haferkekse gefunden, die ich in Palma gekauft hatte. Sie teilt großzügig mit mir. Wir sitzen den Nachmittag über im Garten und unterhalten uns, während wir Zitronenlimonade trinken.

Als es um 8 Uhr Abendessen gibt, bin ich schon sehr gespannt. Zuerst gibt es eine Salatplatte und anschließend stellt der Angestellte eine Kasserolle mit Fleischscheiben in Sauce mit Kartoffeln auf den Tisch. Wenn ich Fleischesser wäre, würde mich das Gericht tatsächlich anmachen. Ich warte eine Weile und dann stellt er auf einen separaten Tisch eine weitere Kasserolle mit überbackenen Kartoffelhälften. Dort drin ist zu finden: Kartoffeln, Mangold, Artischocken, Blumenkohl und eine genial gewürzte Tomatensauce. Ich bin echt im Himmel. Es schmeckt fantastisch, was ich ihm auch gleich mitteile. Die Kasserolle mit dem Gemüse ist als erste leer, weil sich auch die Fleischesser daran bedienen. Während ich diese Zeilen hier schreibe, bekomme ich mit, wie drei weitere Personen das leckere, vegetarische Essen beim Angestellten loben. Es freut ihn sehr. Ich habe ihn gleich noch gefragt, ob er so nett ist, im nächsten Refugi Son Amer Bescheid zu geben, dass ich vegan lebe. Das macht er gerne. Er ist unfassbar freundlich, sieht aber eigentlich fast ein bisschen mürrisch aus, bis man ihm etwas lustiges oder freundliches sagt und sich ein Lächeln auf seinem Gesicht breit macht, das dem eines kleinen Kindes gleicht.

Den Rest des Abends genießen wir Rotwein und unterhalten uns. Typisch Wanderabend halt. Morgen ist schon die vorletzte Etappe. Wahnsinn, wie schnell die Zeit vergeht!

Bis morgen dann!

Rina

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