Mein Jakobsweg – Von Villar de Mazarife nach Astorga

Mein Jakobsweg – Von Villar de Mazarife nach Astorga

Schon ganz früh morgens machen wir uns auf den Weg und laufen die ersten zwei Stunden im Dunkeln über eine Landstraße. Danach geht es immer weiter (das soll nachher noch mein Motivationsspruch werden) über eine Schotterpiste nach der anderen und in Richtung Wolken.

Nach der ersten Etappe mit insgesamt 15 km machen wir eine Pause in einer Herberge mit Restaurant. Der Wirt versteht keine Wort Englisch und auch nicht, warum ich etwas tierfreies bestellen möchte. Ich belasse es dann bei einem frisch gepressten Orangensaft, den ich mit Hilfe von Julia bestelle. Julia und ich sind die letzten 15 km zusammen gelaufen, manchmal schweigend, manchmal unterhalten wir uns über dies und das. Nach einem kurzen Frühstück, das für mich wie immer aus Banane, Baguette und ein paar Nüssen besteht, machen wir uns weiter auf den Weg.

Das Loslaufen nach der Pause ist wie immer schlimm. Ich kann mich kaum bewegen und meine Füße schmerzen. Dann aber nehme ich wieder Fahrt auf und laufe ein bisschen schneller als die Anderen, die uns zwischenzeitlich eingeholt hatten.

Die nächsten Stunden werden eine wirklich schlimme Zeit für mich. Ich trotte vor mich her und frage mich, warum ich mich habe mitreißen lassen, bis nach Astorga zu laufen. Immer wieder sage ich mir vor: „Du schaffst das, du schaffst das, du schaffst das“. Gefolgt von: „Immer weiter, immer weiter“. Fast zwei Stunden bete ich diese Sätze halblaut vor mich hin, während es so heftig regnet, dass die Straßen in reißende Sturzbäche verwandelt werden. Zudem kommt ein steifer Wind auf, der das bergauf laufen noch anstrengender macht. Ich beiße oft die Zähne zusammen und versuche die Schmerzen, die mittlerweile meinen ganzen Körper beherrschen zu ignorieren. Der Untergrund ist lehmig und völlig aufgeweicht. Immer wieder stampfe ich fest auf, um die Lehmklumpen von den Schuhen zu schütteln, die meine Füße zu schwer zum Tragen machen. Nach einer gefühlten Ewigkeit erscheint endlich wieder ein Dorf. Aber es ist noch nicht Astorga. Also gehe ich „immer weiter, immer weiter“ bis Astorga, das nochmal 3,5 km entfernt liegt. Die Albergue liegt oben im Dorf und die letzten Meter kosten mich nochmal richtig Kraft. Meine linke Schulter hat sich in ein steifes Brett verwandelt und es fühlt sich an, als steckte dort ein Messer drin. Auf der letzten Stufe zum Dorf fordere ich zu viel von meinem linken Knie und irgendwas tut sich darin. Es sticht und die letzten 300 Meter werden zur Qual. Ich bin komplett nass und fix und fertig, als ich gegen 13 Uhr in der Albergue Servias de Maria ankommen.

[cml_media_alt id='6769']Astorga Cathedral[/cml_media_alt]
[cml_media_alt id='6772']Villar de Mazarife -> Astorga[/cml_media_alt]

Wie immer muss ich meinen Ausweis und Pilgerpass vorzeigen. Der Pilgerpass ist komplett durchnässt und ich finde meinen Ausweis auf Anhieb nicht. Ich gerate leicht in Panik und finde ihn schließlich in meinem Geldbeutel. Die Erleichterung lässt mir die Tränen in die Augen schießen. Kurz nach mir kommt auch Julia in der Albergue an. Ich kriege mein Bett in einem 4-Bett-Zimmer zugewiesen und als ich auf dem Weg zur Dusche bin, bekommt Julia das Bett unter mir zugewiesen. Dann mache ich erstmal Siesta und zwar bis 17 Uhr. Ich schlafe tatsächlich ein paar Minuten, meistens döse ich aber nur vor mich hin.

Am frühen Abend zeigt sich, dass wir wieder alle in der gleichen Herberge gelandet sind. Wir machen Pläne für das Abendessen und jeder nutzt die Zeit für ein paar persönliche Dinge wie Teetrinken, Tagebuch schreiben oder sich im Internet auf den neuesten Stand zu bringen. Dann gehen wir einkaufen und müssen ewig warten, bis wir in die Küche zum Kochen kommen, da sehr viele heute in dieser Herberge sind und gefühlt alle kochen. Die Italiener belagern Küche und Aufenthaltsraum für 1 1/2 Stunden, bis wir dort endlich auch ein bisschen Platz finden. Heute gibt es wieder etwas veganes: Nudeln mit Tomatensauce, Champignons, Tomaten und Oliven. Dazu haben wir zwei Flaschen Wein gekauft, von dem jeder ein bisschen trinkt. Zum Nachtisch haben wir eine Wassermelone gekauft. Dieses Mal haben wir für 10 Personen gekocht, macht dann 1,40 € pro Person. Es ist echt unvorstellbar, dass ich hier bisher weit unter 10 € pro Pilgertag geblieben bin.

[cml_media_alt id='6773']aaimg_8740[/cml_media_alt]
[cml_media_alt id='6774']Villar de Mazarife -> Astorga[/cml_media_alt]

Jeden Abend bauen mich die teilweise fremden, teilweise kurz bekannten Menschen auf. Viele von ihnen laufen den Weg aus persönlichen Gründen. Die Geschichten, die dahinter stehen sind teilweise ganz einfache, alltägliche Befindlichkeiten, teilweise aber auch sehr bewegend und tiefgreifend. Sie hier zu veröffentlichen, halte ich für falsch. Wenn du diese wundervollen Geschichten hören möchtest, begibst du dich am besten selbst auf deinen eigenen Weg.

Ohne diese Abende, würde ich den Weg nicht durchstehen. Einen Pilger aus Brandenburg habe ich getroffen, der nur im Zelt schläft. Das wäre also nichts für mich.

Um 10 gehen wir ins Bett, denn morgen geht es wieder um 6 los. Dieses Mal stehen 26 km nach Foncebadón auf der Agenda.

Gute Nacht!

Alles Liebe

Rina

5 Kommentare

  1. Carolin
    14. September 2016 / 18:47

    Halte durch!!
    In Gedanken kühle und verarzte ich dich WäHrend du gehst…
    :*

    • Carolin
      14. September 2016 / 18:48

      …also die füße kühlen 😀

  2. Petra JanKe
    14. September 2016 / 18:16

    Was für eine Strapaze! Und gut, dass es immer jemanden an deiner Seite gibt. Du svhaffst das!!?

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