Wandern auf La Palma – Von San Nicolás zum Ort des Vulkanausbruchs des San Juan

Wandern auf La Palma – Von San Nicolás zum Ort des Vulkanausbruchs des San Juan

Da ich noch gar nicht im Süden der Insel war, plane ich die letzte Tour für diesen Urlaub im Süden. Im Süden ist in der 1970er Jahren der Vulkan San Juan ausgebrochen und den erkalteten Lavastrom kann man auch heute noch sehr gut sehen. Bis nach San Nicolás, meinem Startpunkt sind es nur 15 Minuten mit dem Auto. Endlich mal eine kurze Autofahrt zum Startort.

Hier ist der Track:

Track San Nicolas – Volcano San Juan

Der Weg an der Kirche San Nicolás beginnt auf einer Straße, die steil nach oben geht und dann weiter auf einem steinigen Pfad, der laut einem einbetonierten Schild „vorübergehend“ gesperrt ist. Ich gehe ihn trotzdem weiter. Die Sonne scheint und obwohl es erst 10:30 Uhr ist, ist die schon verdammt warm.

Nach einer halben Stunde setze ich mich auf ein schattiges Plätzchen (das einzige bisher auf dem Weg) und mache eine kurze Trinkpause. Auch auf dieser Strecke bin ich wieder allein. Auf drei von vier Strecken, die ich auf La Palma gewandert bin, bin ich nun alleine gewesen, wenn man mal von den zahllosen Eidechsen, Grashüpfern und Insekten absieht.

Der Weg führt mich plötzlich in einen Steinrutsch. Hier ist klettern angesagt. Kein Stein liegt fest auf dem anderen und immer wieder bricht mir der Boden unter den Füßen weg. Ich schaue immer wieder, ob ich noch auf dem richtigen Weg bin. Laut Navi bin ich das, aber das stand doch so nicht im Reiseführer! In diesem Augenblick muss ich an meinen Wanderstock denken, der gedankenverloren zu Hause am Türrahmen lehnt. Ich habe ihn heute vergessen mitzunehmen. Auf der einen Seite vermisse ich ihn jetzt, auf der anderen Seite habe ich so beide Hände frei zum klettern.

Während ich mal wieder auf mein Handy schaue, erhalte ich eine E-Mail von Iberia, der Fluggesellschaft mit der ich in zwei Tagen nach Hause fliege. Ich hoffe, dass mein erster Rückflug nicht schon wieder nach hinten verschoben worden ist, denn ich habe nur 35 Minuten zum Umsteigen. Eine weitere Verschiebung wird es mir fast unmöglich machen, meinen zweiten Flug zu kriegen. Es sind aber nur die üblichen Sicherheitshinweise, die ich von Iberia immer vor einem Flug bekomme. Ich schaue spontan nach, ob ich nicht schon einchecken kann, was tatsächlich schon funktioniert und sichere mir einen Sitzplatz in der sechsten Reihe am Gang, so dass ich ganz schnell aussteigen kann.

Kurze Zeit später wird mir bewusst wie bizarr das ist, was ich hier gerade tue: Ich sitze mitten in einem Steinrutsch, umgeben von verkohlten Bäumen, die ein Waldbrand zu verantworten hat und checke online mein Rückflug ein.

Keine 2 Minuten nachdem ich weitergehe, meldet sich mein Handy, dass ich auf dem falschen Weg bin. Das war mir irgendwie schon vorher klar. Mutig klettere ich die steile und unbefestigte Böschung hinauf, für dessen Überwindung ich drei Anläufe brauche, da ich zweimal abrutsche und wieder unten auf dem Felsbrocken lande, von dem ich gestartet bin.

Ich finde einen wunderschönen Pinienzapfen. Solch einen ähnlichen habe ich in der Ferienwohnung gesehen. Ich werde ich einstecken und Amana, meiner Vermieterin mitbringen.

Der Weg ist steinig und führt steil nach oben. Nach einer weiteren halben Stunde bin ich erschöpft und halte alle 10 Meter an, um meinen Puls zu beruhigen. Ein paar 100 Meter weiter entscheide ich mich noch mal eine Pause zu machen. Ich ziehe kurz die Schuhe aus, um meine Füße zu lüften, esse eine Banane und trinke etwas Wasser. Ich hätte mir mehr Wasser mitnehmen sollen, denn die 1 1/2 Liter Flasche ist nur noch zu einem Viertel voll und ich habe noch einiges an Strecke vor mir… Ich entscheide mich deshalb eine Abkürzung zu gehen. Auf der Karte sehe ich eine Abzweigung, die eine Kurve von gut 1,7 Kilometern abschneidet, die ich auslassen werde. Ich habe schon die letzten Tage nicht genug getrunken. Meine üblichen 2 Liter sind hier nicht ausreichend.

Der Alarm meldet sich wieder und ich schalte ihn ab. Ich bin bewusst auf dem falschen Weg.

Hier oben herrscht ein fanatischer Duft, wenn es auch noch etwas verbrannt riecht. Plötzlich und aus dem Nichts  beginnt der Lavastrom. Es ist steinig und die schwarzen Steine haben ordentlich Hitze gespeichert. So kommt die Hitze jetzt nicht nur von oben, sondern auch noch von unten. Ich bin überwältigt. Die losen Steine, die den Weg auskleiden, machen lustige Geräusche. Sie klingen wie Kieselsteine aber gläserner.

Das Ende des Trümmerfeldes erscheint genauso plötzlich, wie dessen Anfang und ich stehe wieder im Wald. Meine Füße qualmen, sind meine Sohlen geschmolzen? Sind sie natürlich nicht. Amana erzählt mir aber später, dass das durchaus passieren kann. Ich beschließe mir einen Platz für die Mittagspause zu suchen. Da außer dem nadelübersätem Waldboden weit und breit nichts anderes zu sehen ist, setze mich einfach hin und versuche das Stechen den Nadeln zu ignorieren. Ich habe mir den Rest der Fajitas von gestern eingepackt und esse ihn nun mit Vollkorn-Toasties.

Außer dem Surren von etlichen Fliegen ist nichts zu hören. Nach dem Essen bleibe ich noch eine Weile sitzen und lausche ganz gespannt. Plötzlich kommt mir der PCT – Pacific Crest Trail wieder ins Gedächtnis und ich überlege wie es wohl sein würde ihn zu wandern. Zum einen liegt es daran, dass ich gerade ein Buch darüber lese und zum anderen sitze ich hier ganz allein in dieser Stille. Es würde wohl sehr hart sein und am Ende bestimmt ganz toll. Ähnlich wie ich den Jakobsweg empfunden habe. Mein Wasser ist fast aufgebraucht. Ein paar Schlücke lasse ich mir noch für den Abstieg.

Der Abstieg nach San Andreas ist mit 3,5 km nicht lang, aber aufgrund der Beschaffenheit werde ich dafür einige Zeit brauchen. Es ist felsig und das Geröll größtenteils lose. Mehrfach rutsche ich aus und bin froh, dass ich das Gleichgewicht jeweils immer wieder finden kann. Nach einer guten Dreiviertelstunde, als meine Konzentration merklich nachlässt, komme ich endlich wieder für eine befestigte Straße. Diese führt aber nach nur 100 m wieder einen steinigen Abstieg. Zu früh gefreut. Ich muss mich zusammenreißen und plane im nächsten Schatten noch mal eine letzte Trinkpause zu machen und das restliche Wasser zu trinken.
Das Wasser ist warm und ich witzle in Gedanken, dass ich mir einen Teebeutel hätte mitnehmen sollen…

Die letzten 300 Meter führen an der Straße entlang, die mich zur Tankstelle/Supermarkt/Café/Waschsalon führt, wo mein Auto steht. Ich hole mir erstmal ein Eis und eine Flasche Limo, bereue die Wahl aber schon nach den ersten Schlücken. Das Zeug ist mir jetzt gerade eigentlich zu süß. Ich mache mich schnell auf den Weg nach Hause um unter die Dusche zu kommen.

Da das Auto die ganze Zeit in der prallen Sonne stand, ist es natürlich unerträglich heiß darin. Aber ich war wenigstens so clever und hat das Lenkrad falsch herum gedreht so dass ich es jetzt anfassen kann. Mir steht der Schweiß auf der Haut und als ich die ersten Meter mit offenem Fenster hinter mich bringe, ist es eine unfassbare Erleichterung den Fahrtwind zu spüren.

Als ich zu Hause ankomme, schmeiße ich ein letztes Mal die Waschmaschine an und wasche dann auch endlich die Regenjacke, die seit drei Tagen nach einem Mittagessen stinkt, das mir im Rucksack ausgelaufen ist. Ich koche mir eine leckere Bowl und lasse die Gnocchi mit Tomatensauce, Artischocken und Oliven für morgen übrig, wenn ich für Amana und Rainer koche. Rainer ist mein Nachbar, der die Wohnung neben mir gemietet hat. Ich verbringe mit den beide einen wunderschönen letzten Abend bei gutem Essen, einem leckeren Wein und tollen Gesprächen. Am Schluss sehe ich sogar noch eine Sternschnuppe (die erste seit gut 10 Jahren) und wünsche mir etwas. Perfekter hätte mein Urlaub nicht enden können.

Alles Liebe

Rina

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