Die Via Baltica – Von Harsefeld nach Heeslingen

Die Via Baltica – Von Harsefeld nach Heeslingen

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Ich habe sehr gut im Gästehaus Angelika geschlafen. Um 6:00 Uhr werde ich wach und bleibe noch für eine Stunde im Bett liegen. Danach packe ich meine Sachen zusammen, rieche noch mal an der frisch gewaschen Wäsche und mache mich um kurz nach acht wieder auf den Weg.
Die Hausherrin gibt mir den Tipp nicht über den Ort zu gehen, sondern einen Schleichweg, der mich direkt zu Edeka führen soll. Dort kann ich dann Frühstück und Mittagessen kaufen. Und danach käme ich auch direkt wieder auf dem Weg. Die Idee finde ich gut und folge ihrem Vorschlag.

Es regnet. Nein, eigentlich nieselt es nur. Gegen leichten Regen habe ich extra meinen Hut imprägniert, der jetzt gute Dienste leistet. Der Vorteil eines Regenhuts gegenüber einer Kapuze ist, dass der Hut mit seiner breiten Krempe auch meine Brille vor dem Nieselregen schützt und meine Ohren frei hält, so dass ich meine Umgebung wahrnehmen kann und nicht nur das Rascheln der Kapuze höre. Da es heute Morgen recht kühl ist, habe ich mein Haar nicht zu meinen obligatorischen geflochtenen Seitenzöpfen zusammen gebunden (mit ihnen fliegen die Haare nicht ins Gesicht, der Hut passt auf den Kopf und der Nacken bleibt frei), sondern nur zu einem halben Zopf auf dem Oberkopf.

Es riecht nach Kamin, beziehungsweise nach verbranntem Holz. Ich träume von einer Sauna. Wenn ich nach Hause komme, werde ich definitiv einen Tag in der Sauna verbringen. Das habe ich mir verdient!
Außerdem habe ich beschlossen mir ein E-Bike zu kaufen. Ich möchte gerne alltägliche Erledigungen (Fahrt zur zukünftigen ersten Arbeitstätte, einkaufen etc.) mit dem Fahrrad erledigen. Da ich aber am Berg wohne (einem ziemlich steilen Berg) brauche ich ein E-Bike. Ich werde mich in den nächsten Wochen dazu einmal beraten lassen.

Heute merke ich nach gut 3 km schon meine Füße… Ich bin es so leid! Mein Kopf und mein restlicher Körper wollen so viel mehr und können nicht, weil die Füße nicht mitspielen. Um mich abzulenken will ich Musik hören. Leider ist der Adapter für den Lightning-Anschluss in meinem Kosmetikbeutel, weil ich ihn aus der Hose gerettet habe, die gewaschen werden sollte.
Wem ist eigentlich dieser Schwachsinn mit dem Lightning-Anschluss eingefallen? Unterwegs kann ich nicht gleichzeitig mein Handy laden und Musik hören, das nervt. Oder gibt es einen Zwillingsadapter? Lightning auf Lightning und Klinkenstecker – das wär’s!

Ich komme an einer Steinmauer, die unter einer großen Kastanie liegt und relativ trocken aussieht vorbei und überlege, ob ich dort frühstücken soll. Aber nur die dünne Wanderhose zwischen meinem Allerwertesten und den kalten Steinen? Nicht, dass ich eine Blasenentzündung riskiere… Ich schaue mich um und sehe hinter der Steinmauer einen Campingtisch, der überdacht ist. Volltreffer! Ich hole also mein Frühstück aus den Rucksack und esse es dort gemütlich auf. Der Papierkorb direkt neben dem Campingplatz nimmt mir den Müll ab – wie praktisch! Mir wird kalt, also will ich schnell weiter. Im letzten Augenblick denke ich noch daran, den Adapter aus dem Kosmetiktäschchen zu holen.

Ich starte mit meinem Lieblingslied und werde über den Weg getragen. Was für ein Unterschied Musik doch macht! Ich höre meine allerliebsten Lieder und so vergeht die nächste Stunde wie im Flug.

Der Heerweg, auch Napoleonsweg genannt, geht immer nur geradeaus. Ohne Musik wäre er nur sehr schwer zu ertragen. Ich halte Ausschau nach der nächsten Parkbank, denn meine Füße brauchen dringend eine Pause. Mittlerweile könnte ich fast jede Stunde eine Pause machen, die aber nur wenig Linderung für meine Füße bringt.

Dann, nach 15 km, erscheint endlich eine Bank. Mir kommt es vor, als würde ich fast darauf zulaufen, so erleichtert bin ich sie gefunden zu haben. Auf der Bank mache ich Pause und esse dabei mein Mittagessen.

Es sind noch 5,7 km zum Ziel, aber irgendwie will ich nicht weitergehen. Ich sehne mich nach meiner Couch und danach Serien zu gucken. Nachdem ich 20 Minuten lang gegessen habe, brauche ich fast noch mal 20 Minuten um mich zum Weitergehen zu motivieren. Ich überlege kurz, meine Luftmatratze rauszuholen, aufzupusten und mich einfach in die Sonne zu legen und ein bisschen zu schlafen. Aber es sind doch nur noch 5,7 km!!! Nur noch anderthalb Stunden! Schließlich ziehe ich die Socken und die Schuhe wieder an, schnalle mein Rucksack um und gehe weiter.

Der Weg führt weiter gerade aus und ist von Bäumen gesäumt. Ich komme an einen Punkt, an dem ein umgestürzter Baum wieder den Weg versperrt. Dieses Mal ist es aber ein Leichtes darüber hinweg zu klettern. Ich schaffe es ohne Sturz.

Als ich in Heeslingen auf mein Hotel zulaufe, komme ich an einen Edeka vorbei und sehe, dass er bis 20:00 Uhr geöffnet hat. Dort werde ich mir auf jeden Fall ein paar Bananen und ein kühles Bier kaufen.

Der Empfang im Hollengrund ist sehr freundlich. Der Besitzer fragt, ‚ob ich die Etappe gut überstanden habe. Viele Pilger berichten, dass diese Etappe höllisch sei.‘ Ich bestätige ihm, dass das ständige geradeaus einem ganz schön zusetzen kann.

Ich bekomme meine Zimmerkarte und gehe in das nächste Gebäude, in dem mein Zimmer liegt. Das Zimmer ist modern eingerichtet, schön groß und hat ein tolles Bad. Es ist natürlich weit über dem normalen Pilgerstandard, aber ein anderes Zimmer war nicht zu kriegen und ich bin auch nicht traurig darum. Die 48 €, die es inklusive Frühstück kostet, sind mehr als nachvollziehbar, wenn man es mit dem Zimmer vergleicht, dass ich gestern hatte. Das Zimmer in einem Privathaus hatte ich für 32 € ohne Frühstück bekommen.

Nach der erholsamen Dusche inspiziere ich meine Schuhe. Ich stelle fest, dass die Einlegesohlen fast keinerlei Dämpfung im Vorderfuß gewährleisten. Da wird der Schmerz seine Ursache haben!
Ich plane deshalb morgen in das 5 km weit entfernte Zeven zu gehen und den Rest des Tages auch dort zu bleiben. Ich werde mir neue Einlegesohlen holen und hoffen, dass ich mit Ihnen die restlichen drei Etappen gut überstehen kann. Wenn ich dann wieder zu Hause bin, werde ich einen Termin bei einem Orthopäden vereinbaren, um persönliche angepasste Sohlen fertigen zu lassen. Et macht doch kenen Spass so!

Kurz nach sieben mache ich mich auf den Weg zum Supermarkt. Auf der Speisekarte des hoteleigenen Restaurants habe ich schon gesehen, dass es für mich wahrscheinlich nur Salat und Pommes geben würde. Da ich eh nicht viel Hunger habe, entscheide ich mich für einen kleinen Wein und ein paar Salzbrezeln. Außerdem hole ich noch ein paar Bananen, die mir wertvolles Magnesium für meine Muskeln liefern.

Zum Supermarkt bin ich in meinen Sandalen gegangen. Darin hatte ich wenig Schmerzen. Jetzt überlege ich, ob ich die 5 km nach Zeven morgen in meinen Sandalen gehen soll. Ich bin mir aber nicht ganz sicher, denn ich möchte mir jetzt nicht noch vor den letzten drei Etappen ätzende Blasen holen.

Irgendwie bin ich froh, dass der Tag bald vorbei ist. Während ich an den bisherigen Tagen mental immer super drauf war, fiel es mir heute schwer weiter zu gehen. Aber so ist das nun mal auf dem Camino. Du wirst immer Tage haben, an denen du denkst es geht nicht mehr. Und dann kommen wieder Tage, an denen du die Welt umarmen möchtest.

Alles Liebe

Rina

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