Die Via Baltica – Von Zeven nach Otterstedt

Die Via Baltica – Von Zeven nach Otterstedt

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Als ich morgens aufwache, schüttet es wie aus Eimern. Oh nein! Das habe ich schon einmal erlebt. Nämlich auf dem Weg nach Astorga auf dem Camino Frances. Da hatte es ebenfalls stark geregnet und mir sind die Schuhe voll Wasser gelaufen. Abhilfe schaffen Gamaschen. Diese verhindern, dass das Wasser vom Bein in die Schuhe läuft. Meine Gamaschen sind zu Hause…

Ich packe meinen Rucksack und gehe erstmal frühstücken. Und das ist dieses Mal genau nach meinem Geschmack. Ich esse ein Roggenbrötchen mit Margarine, Salz, Pfeffer und Gurke und eine Schale Haferflocken mit allerlei Samen, Früchten und Orangensaft.

Nach dem Frühstück hole ich meinen Rucksack aus dem Zimmer und checke aus. Ich gehe nach draußen und es hat glücklicherweise aufgehört zu regnen.
Der Weg führt mich heute abwechselnd an Feldern vorbei, durch waldartige Abschnitte und durch kleine Ortschaften. Die Strecke ist somit wieder abwechslungsreicher als die letzten beiden Tage.

Dann fängt es heftig an zu regnen und ich werde einmal komplett nass. Nach 10 Minuten hört es wieder auf und ich halte Ausschau nach einer Bank. Ich bin bereits 8 km gelaufen und möchte nun eine Pause machen.
Aber wie schon so oft auf der Reise komme ich an keiner Bank vorbei. Es dauert noch weitere 2 Kilometer, bis ich einen Campingtisch erreiche.

Als erstes hole ich meinen Insektenschutz aus dem Rucksack. Eine Mücke hat mich an der Stirn erwischt, genau da, wo der Hut sitzt. Dieses ständige Gesurre um mich herum kann ich nur schwer ertragen. Ich reagiere sehr stark auf Mückenstiche und bekomme große, rote, heiße, harte Flatschen, die noch 2 – 3 Monate später als blaue Flecken sichtbar sind.
Ich ziehe mir die Hose runter und sprühe es mir auch auf den nackten Hintern, denn die 8 Stiche, die ich mir am zweiten Tag geholt hatte, haben gerade angefangen weniger zu jucken. Dann ziehe ich Schuhe und Socken aus und auch die Füße bekommen etwas Mückenschutz ab.
Das Surren verstummt abrupt.

Ich esse eine im wahrsten Sinne des Wortes mitgenommene Banane und den Rest meines Studentenfutters. Mir wird kalt, denn der Wind weht ganz ordentlich und es werden heute nur 16° werden.

Heute habe ich eine Sextanerblase. Alle 1 – 2 km muss ich pinkeln. Und dann so urplötzlich, dass ich es kaum schaffe, die Hose runter zu ziehen.

Es fängt wieder an zu schütten und für den Rest des Tages hört es auch nicht mehr auf. Lediglich die Intensität ändert sich von ein paar Tropfen über Sprühregen bis hin zu wildem Geprassel.
Ich erreiche wieder ein Waldstück. Das hält den Regen etwas ab. Meine Jacke und meinen Hut habe ich vor der Reise noch einmal frisch imprägniert. Beide halten dicht. Beim Hut bin ich positiv überrascht, denn er ist eigentlich nur ein Sonnenhut.
Meine Hose dagegen ist klatschnass und klebt an den Beinen. Aber irgendwie stört es mich nicht.

Nach einer Stunde strömenden Regens will ich Mittagspause machen. So ein Bushäuschen, wie das, in dem ich Schutz vor dem Gewitter fand, wäre jetzt nicht schlecht. Denn im Regen zu sitzen und zu essen ist jetzt nicht mein unbändiger Wunsch. Auf eine Schutzhütte brauche ich wahrscheinlich nicht zu hoffen, denn in diesen kleinen waldartigen Abschnitten gibt es bestimmt keine.

Plötzlich weist ein Pfeil nach links. Nach links soll ich gehen? Ernsthaft? Ich schaue mich um und sehe rechts hinter der Ecke eine Art Schutzhütte. Na, die kommt mir gerade recht! Ich freue mich wie Bolle und gehe darauf zu. Im trockenen isst es sich doch gleich viel gemütlicher und vielleicht trocknet meine Hose ein bisschen.
Ich hole eine Käsebrötchen und eine Schale Bulgursalat aus dem Rucksack und verschlinge beides hungrig.

Aus der Ferne sehe ich einen Mann auf mich zukommen. Wir grinsen uns schon von Weitem an, ohne wirklich zu grinsen. Es ist eher auf einer anderen Ebene. Denn wir beide ahnen, was wir sind.
Der Mann trägt ähnliche Kleidung wie ich und hat einen 50 Liter – Trekkingrucksack auf dem Rücken. Alles er näher kommt, ruft er mir zu: „Ist das hier der Jakobsweg?“
Ein Pilger!
Ich grinse ihn an, nicke und deute in die Richtung, aus der ich gekommen bin. Antworten kann ich nicht, denn ich habe den Mund voller Bulgursalat. Ich rutsche zur Seite und signalisiere ihm somit, dass er sich setzen solle.
„Läufst du auch den Jakobsweg?“ frage ich, als ich den Mund endlich leer habe. „Ja, aber in die andere Richtung. Ich bin vor zwei Tagen in Bremen gestartet. Dort habe ich beim letzten Mal aufgehört“ erklärt er. Ich sage, dass Bremen mein Ziel sei und er erzählt mir, was mich noch erwarten wird. Auch ich erzähle ihm von den guten und nicht so guten Unterkünften, die ihn erwarten. Und ich warne ihn vor den umgestürzten Bäumen auf dem Weg.
Auch er ist den Camino Frances schon gegangen. 2009 hat er vor der Haustüre in Belgien begonnen und hat für den Weg nach Santiago 3 Monate gebraucht. Wir unterhalten uns über einzelne Etappen, wie den unfassbar anstrengenden Aufstieg nach O Cebreiro und das schöne Galizien.
Dieses Mal hat er 4 Wochen Zeit mitgebracht und will bis nach Sassnitz. Im nächsten Jahr dann nach Schweden weiter.
Ich bin beeindruckt.
Er fragt, ob auf der weiteren Strecke ebenso viel Asphalt sei. Ich bestätige seine Befürchtung mit einem Nicken und sage: „Leider ja…“ Auch ihm macht der harte Untergrund zu schaffen.
Und auch ich weiß nun, was mich weiterhin erwartet ?.
Mir wird kalt. Also schnalle ich mir den Rucksack wieder um. Wir verabschieden uns mit einem Handschlag und wünschen uns alles Gute und Buen Camino. Dann gehe ich zurück in den Regen, der etwas nachgelassen hat und schlage die Richtung ein, aus der der Belgier gekommen war. Einige hundert Meter später fällt mir auf, dass ich nicht nach seinem Namen gefragt habe. Typisch Camino! Das war schon in Spanien so. Man unterhält sich und dann, nach einer Ewigkeit, stellt man sich vor. Oder auch nicht.

Der Weg führt mich wieder an Feldern vorbei und durch kleine Ortschaften. In einer steht ein Haus, das wie die Villa Kunterbunt aussieht. Mich würde nicht wundern, wenn da gleich der kleine Onkel auf der Veranda steht.

3 km vor dem Ende der Etappe muss ich noch einmal Pause machen. Die Schmerzen in den Füßen werden zu stark. Die neuen Sohlen leisten gute Dienste, können das Problem aber natürlich nicht gänzlich und von heute auf morgen beheben. Ich verkrieche mich in ein Bushäuschen, das auf dem Weg liegt, ziehe die Schuhe aus und massiere meine Füße.
Ich schaue auf der Karte nach, welchen Weg ich zur Pension einschlagen muss. Das Navi sagt 40 Minuten Restlaufzeit voraus. Somit wäre ich schon um 14:30 Uhr dort. Ich verbummle die Zeit ein wenig, denn ich hatte mich für 15:00 – 17:00 Uhr angekündigt. In meinem Appartement ist noch ein Gast, der heute abreist. ‚Es muss dann noch gereinigt werden‘, hatte mir der Besitzer gestern am Telefon gesagt. Also lasse ich mir Zeit.

Um 15:20 komme ich dann an der Pension an. Sie besteht aus zwei Doppelhaushälften. In der linken Hälfte wohnen die Eigentümer und in der rechten Hälfte sind vier Appartements mit eigenem Bad und kleinen Kochstelle mit Kühlschrank und Spüle.
Jedes Appartement hat einen eigenen Tiernamen. Ich wohne im Igelzimmer. Ich fühle mich auf Anhieb sehr wohl.

Draußen wird es immer ungemütlicher und ich entscheide mich, die Badewanne zu nutzen. Während ich in der Dusche immer nur lauwarmes Wasser benutze, bade ich immer heiß. So heiß, dass ich mir fast den Hintern verbrenne beim Hineinsetzen.
Ich mache mir meine Lieblingsmusik an und esse ein paar Stücke Schokolade. Wenn ich eine Katze wäre, würde ich schnurren…

Nach dem Bad wasche ich meine Wäsche und mache erst mal Siesta.

Um kurz vor sechs wache ich auf und nachdem ich die nächste Unterkunft klar gemacht habe, beginne mir mein Abendessen zuzubereiten.
Es gibt Rahmchampignons mit Vollkornspirelli. Die Zutaten dafür hatte ich gestern Abend schon gekauft. Gut, dass ich daran noch gedacht hatte, denn heute ist Sonntag und ich hätte nichts kaufen können.

Ich nehme mir mein Taschenmesser und schneide Zwiebeln und Champignons. Dann schwitze ich die Zwiebeln in Wasser an, denn Öl gibt es nicht und setze Nudelwasser auf. Nachdem die Zwiebeln glasig sind, kommen auch die Champignons in die winzige Pfanne und dazu ein Schluck Wasser. Zuletzt gebe ich den Frischkäse in die Pfanne und rühre ihn vorsichtig unter. Ich schmecke die Sauce mit Knoblauchsalz ab. Auch die Nudeln kochen im Knoblauchsalz ?.
Als die Nudeln gar sind, schütte ich das Wasser ab und die Sauce in den Topf. Die Hälfte der Portion esse ich direkt, die Andere kommt in die Dose für morgen Mittag.

Nach dem Essen spüle ich schnell und lege mich dann auf die Couch um die Fotos von heute zu verkleinern und den heutigen Bericht zu schreiben. Bei der Stille, die hier herrscht werde ich sicher wie ein Baby schlafen.

Alles Liebe

Rina

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